Teil 3 - Die letzen Maßnahmen

So umgerüstet machte ich ein paar Tage vor dem Tourstart noch eine „Sprinteinheit“. Ich fuhr mit dem Fahrrad nach Neumünster und zurück. Volles Tempo. Die Strecke kannte ich ja. Zwischendurch testete ich auch die „Live-Funktion“ von Facebook, denn ich wollte allen Interessierten ein paar Live-Eindrücke von der Tour geben. (Dabei stellte ich fest, dass die Live-Videos immer spiegelverkehrt sind. Ich weiß bis heute nicht warum…)

 

Ich raste mit einem Durchschnitt von 28 km/h nach Neumünster und zurück. Die Noppen meiner Mountainbikereifen surrten so herrlich über den Asphalt wie ein Wolf auf der Panzerringstraße eines Truppenübungsplatzes. (Insider werden wissen was ich meine).

 

Mein Gefühl der Unsterblichkeit bekam zwischendurch einen deutlichen Dämpfer, als ein Rennradfahrer ganz locker an mir vorbeizischte. So schnell war es also doch nicht.

 

Ich musste mir eingestehen, dass ich es ja unbedingt mit einem Mountainbike versuchen wollte, also überhaupt nicht für meinen Zweck geeignet. Der Rennradfahrer musste wahrscheinlich in sich hineingrinsen, wie ich als Möchtegernfahrer auf meinem Liegelenker fuhr, Rennradhandschuhe und Radlerhosen an und dann stampfend auf einem Mountainbike mit einem Reifenprofil, das eher für eine Schotterabfahrt in den Alpen geeignet war. Bekloppt!

 

Am 11.7. abends, also nicht einmal drei Tage vor Beginn meiner Tour dann der Schock: der Hinterreifen war platt. Ausgerechnet jetzt. Zum Glück hatte ich mir vorgenommen, das Fahrrad vier Tage vor dem Start nicht mehr anzurühren und nur noch zu beobachten, ob sich etwas ungewolltes veränderte. Und tatsächlich hatte ich Recht. Aber noch war etwas Zeit. Ich überlegte kurz, ob ich einen neuen Schlauch einziehen sollte, entschied mich aber erstmal zu schauen.

 

Ich hatte erst die Kinder in Verdacht, dass sie verbotener Weise tagsüber in der Garage gespielt und dabei mein Fahrradventil kaputt gespielt hatten. Der Grund steckte aber im Mantel: ein Stück Metalldraht hatte sich in den Reifen gebohrt und die Luft aus dem Schlauch gelassen.

 

Also das Rad ausbauen, Schlauch runter und gucken. Das Loch fand ich schnell, der Schlauch war schnell geflickt und auch das Stück Draht war schnell entfernt. Alles wieder auf das Rad und das Rad eingebaut. Und dann der nächste Ärger: Die Gangschaltung war durch den Reifenwechsel natürlich total verstellt. Ich hätte kotzen können. Jetzt, kurz vor der Tour!

 

Ich machte mit etwas Werkzeug eine kleine Runde durch die Nachbarschaft, schaltete hin und her, schraubte hier und drehte da und erkannte, wie wenig ich von der Technik meiner Gangschaltung verstand. Klar, ich wusste, wie sie grob funktionierte. Aber welche Schraube welche Auswirkung auf die Gangschaltung hatte? Keinen Schimmer. Bis heute nicht.

 

Kurz vor dem Ausflippen nahm ich eine Zange und zog den Baudenzug nach. Wie früher bei der Handbremse meines Kinderfahrrades. Irgendwie klappte es. Ob ich es richtig gemacht habe weiß ich nicht, aber es funktionierte.

 

Der Vorfall war aber äußerst lehrreich für mich, denn nun wusste ich, welches Werkzeug ich auf jeden Fall mitnehmen musste. Die Erkenntnis war aber auch ärgerlich, denn nun musste ich noch mehr Krimskrams in meine Gepäcktasche packen. Gepäck, Gepäck, Gepäck.

 

Ich habe es nicht auf die Waage gelegt, aber die Tasche war randvoll und verdammt schwer.

 

Am 14.07.2017 hatte ich extra Urlaub eingereicht. Ich hing meinen Plan der Tour in der Firma nicht weiter an die große Glocke. Gegenüber meinem Chef, der selbst ein Sportler ist, rutschte mir die Anmerkung über die Tour heraus, vermied es aber, weiter darüber zu sprechen. In mir steckte immer noch ein Zweifel, ob ich diesen Irrsinn tatsächlich schaffen würde. Aber gar nichts zu sagen war bei weitem besser, als ein Scheitern einzugestehen. Ich habe eben auch meinen Stolz.

Am 13.7. abends verpackte ich voller Hektik meine Ausrüstung für die Tour. Die Aufregung war groß. Die Gepäcktasche hatte ich schon vorher fast komplett fertig: Wechselklamotten, Ersatzradlerhose, Werkzeug, Getränkepulver (Isostar), ein halber Liter Leitungswasser, ein halber Liter Isostar, Ersatzschlauch, zwei Salamistullen (ich konnte unmöglich den Tag nur mit Powerbars verbringen) und meine Zahnbürste samt Zahnpasta.

 

Zum Glück hatte ich zwei Wochen vorher meinen Eltern, die zu Besuch gewesen waren, schon normale und bequeme Anziehsachen mit nach Berlin gegeben, damit ich für die Rücktour mit der Bahn was „Normales“ zum Anziehen hatte.

 

Meine Fahrradflasche hatte ich auch schon am Abend vor der Tour mit Wasser in den Flaschenhalter gestellt. Die Lenkertasche war mit allerlei nützlichem Klimbim vollgestopft und sollte dann am 14. Morgens ans Fahrrad: zwei Imbusschlüssel für den schnellen Zugriff, neun Powerbars, meine Fahrradbrille mit Wechselgläsern, meine Powerbank, wenn mir der Saft des Handys ausging, Taschentücher, Headset fürs Handy, Mobiltelefon und Portemonnaie und (!!!!) meine Fahrradlampen. Falls ich doch in die Dunkelheit kam, war ich gewappnet.

 

Das Problem der Lenkertasche war, dass sie nicht mehr angebracht werden konnte, wenn der Liegelenker schon in der richtigen Position war. Das war mir beim Anbau des Lenkers bewusst geworden. War alles nicht optimal, aber ich wollte für diese eine Tour nicht auch noch eine Machbarkeitsstudie und Hightechmaterial kaufen. Sicherlich gibt es hier sinnvolle Lösungen, aber ich konnte mit dem Kompromiss leben.

 

Wahrscheinlich ging ich am 13. abends viel zu spät ins Bett. Oder auch nicht, denn ich schlief schlecht ein. Das kannte ich aber schon von meinen Marathonläufen, dass die Aufregung so groß ist, dass man kaum zur Ruhe kommt. Der eine oder andere Satz von Freunden und Verwandten ging mir nochmal durch den Kopf: „Nach Berlin mit dem Fahrrad? Das ist ein Brett…!“, „Papi, du bist verrückt!“, „Nein Junge, das ist nicht dein Ernst!!!“

 

 

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